Zornig?!

Ich bin nicht gut darin – vielleicht liegt es daran, dass es insgesamt bei uns irgendwie verpönt ist. Das tut man nicht – und frau erst recht nicht. Ich bin nicht gut darin, zornig zu sein. Natürlich steigt immer mal Wut und Zorn in mir hoch – oder zumindest ihr kleiner Bruder, der Ärger.

Aber so richtig zornig sein, voller Zorn – das halte ich lieber zurück. Zorn, Wut, Ärger raus lassen – das gehört sich nicht. Und – so denken viele – das ist schon gar nicht christlich. Dabei ist Zorn eine der grundlegenden Emotionen.

Zorn zeigen allerdings gehört sich nicht, gilt oftmals als primitiv. Kleinen Kindern lassen wir es noch durchgehen. Aber selbst zornig sein …

Da irritiert der Monatsspruch für den Monat Februar in diesem Jahr. Denn da wird ausdrücklich dazu aufgefordert: Zürnt! so beginnt das biblische Wort.

Zorn hat sein Recht – und seine kleinen Geschwister Wut und Ärger auch. Wenn mir Unrecht geschieht, wenn anderen Unrecht getan wird, wenn unter dem Deckmäntelchen von Religion und Frömmigkeit Macht missbraucht wird, wenn das System Kirche sich mehr selbst schützt als hinzugucken, dann ist es richtig und gut zornig zu werden, zu sein.

Allerdings, das biblische Wort aus dem Epherserbrief geht weiter: Zürnt, doch sündigt nicht. Dem Zorn werden Grenzen gesetzt. Zorn darf und soll sein. Doch er darf nicht vernichtend sein – denn, so verstehe ich Sünde: Sünde ist, was andere nichtig macht. Zorn zeigen – ja! Aber ohne Vernichten.

Und dann gibt es noch eine zweite Grenze: Zürnt, doch sündigt nicht. Die Sonne soll nicht untergehen über eurem Zorn. Zorn braucht ein Ende. Das schützt mich davor, in meinem Zorn unterzugehen. Und es schützt mein Gegenüber.

Auf diese Weise Zorn, Wut, Ärger zeigen – für mich immer wieder eine Herausforderung. Und das nicht nur, weil ich gelernt habe, das man (und frau noch mehr) Zorn besser zurückhält. Auch eine Herausforderung – denn so Zürnen ist eine wirkliche Kunst. Eine Kunst, die wir brauchen.

Rahel Schaller
Pfarrerin in Goch und Louisendorf