Aktuelles
Kirche und die Kontinuitätsfiktion
Kalkar. Über einiges konnten die Synodalen des Ev. Kirchenkreises Kleve während ihrer Tagung im Ratssaal der Stadt Kalkar schmunzeln. Anderes löste Entsetzen und ungläubiges Kopfschütteln aus. Markus Heckert, Pfarrer in Thüringen, erzählte Erlebnisse aus seiner Jugend und als junger Erwachsener in der DDR. Familie Heckert wurde einer kompletten Überwachung unterzogen, denn Vater Heckert, ebenfalls Pfarrer, wurde als „Wessi“ im Osten als Top-Spion eingestuft – unbegründet.
Heckert berichtete, wie er von besten Freunden bespitzelt und von der Staatssicherheit verfolgt wurde. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte er weder Abitur machen, noch Theologie studieren dürfen. Mehrmals wurde Heckert verhaftet, das erste Mal mit 14 Jahren. Später demonstrierte er für die „Friedliche Revolution“, druckte heimlich Flyer. „Es war eine Genugtuung, 1989 im selben Gebäude einem Polizisten die Anzeige gegen die Vernichtung der Stasiakten zu diktieren“, erzählte Heckert. Heute ist er dort unter anderem als Polizeiseelsorger unterwegs. Der Glaube und sein Konfirmationsspruch trugen Heckert durch schwierige Momente: „Ist Gott für mich, wer kann gegen mich sein.“ „Ein Bibelvers, der auch gefährlich missbraucht werden kann“, wie Heckert während seiner Predigt im Synodalgottesdienst erklärte.
Berichte am Samstag
Superintendent Hans-Joachim Wefers ging in seinem Bericht am Samstagmorgen vor den 72 stimmberechtigten Synodalen und Gästen auf die Berichte der Gemeinden und kreiskirchlichen Arbeitsbereiche ein. „Sie zeigen, dass eine Menge stattfindet bei uns“, freute er sich. Sie berichteten von Neuanfängen, von frischen Ideen und vom Zusammenwachsen der Gemeinden in den Regionen. Wefers dankte allen, die verlässlich ehrenamtlich und beruflich Dienste leisten.
Hier der Bericht zum Herunterladen
Wefers las jedoch auch von offenen Fragen und „Echolosigkeiten“. Denn so manches Presbyterium ist dank hohem Engagement an seiner Belastungsgrenze. Es gibt Herausforderungen in einigen Gemeinden durch zurückgehende Pfarrstellenumfänge, an manchen Stellen zurückgehende Zahlen der Mitarbeit in Gremien. Einige Angebote mussten 2019 mangels Interesse ausfallen und Anfragen hatten nicht die erwünschte Resonanz. Ein Grund sieht Wefers in der veränderten Rolle der Kirche im Leben der Menschen: „Wir sind ein Freizeitanbieter unter anderen. Menschen wählen nach Situation und Erleben und eigenen Interessen. Die verbindliche kirchliche Gemeinschaft, sprich Gottesdienstbesuch und Teilnahme oder Gestaltung kirchlicher Angebote nähmen nur 10 Prozent der Gemeindeglieder wahr.“ Ein Nachdenken über den gesellschaftlichen Wandel und deren Folgen für die kirchliche Arbeit hielt Wefers darum für „zwingend notwendig“. Die Kontinuitätsfiktion, „alles soll so bleiben wie immer“, führe hingegen zu Frustrationen.
Partizipation der Jugend
Erprobungsräume heißt ein Hoffnungsprojekt der Landeskirche. Wefers erklärte ihr Ziel: In neuen Räumen, durch andere Formen kirchenfernen Menschen Berührungspunkte anbieten. Das solle keine Konkurrenz, sondern eine ergänzende Form zur klassischen Gemeindearbeit sein. Hier mehr dazu.
Die Jugend im Ev. Kirchenkreis Kleve kann sich auf ein durch die Landeskirche finanziertes Partizipationsprojekt „aufsuchender Jugendarbeit“ freuen. Im Mittelpunkt steht ein Klein-Bus, der von Jugendlichen in den Gemeinden demnächst gestaltet werden soll.
Anschlag in Halle
„Antisemitismus verletzt grundlegende Werte der Demokratie wie Toleranz, Respekt Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und andere mehr“, so Wefers in seinem Bericht. Christen könnten auch Antijudaismus nicht ignorieren, denn Judentum und Christentum würden durch die gleiche Wurzel genährt. Ausdrücklich lobte Wefers die ökumenische Reaktion der Kirchen in Kevelaer zu den Vorfällen in Halle sowie Angebote im Kirchenkreis zum besseren Verständnis anderer Religionen. Für seinen ausgewogenen Bericht bekam Wefers von den Synodalen viel Zuspruch. Anschließend wurde über die „Echolöcher“ diskutiert. Sie spiegelten weniger ein Desinteresse an bestimmten Angeboten, sondern vielmehr die Auslastung von beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitenden, hieß es in Kalkar.
Haushalt
Am Samstagnachmittag verabschiedete die Synode den Haushalt. Dank noch positiver Kirchensteuerentwicklung und der in den Kirchenkreis Kleve wechselnden Gemeinde Straelen-Wachtendonk wurde die Umlage des für Kirchenkreis und Diakonie zur Verfügung stehenden Anteils am Gesamtkirchensteueraufkommen ab 2020 von bisher 13 Prozent auf jeweils 12 Prozent gesenkt.
KDA-Beschluss
Bei dem Beschluss der Synode aus 2014, die Regionalstelle des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt Duisburg/Niederrhein mit Beginn des Ruhestands von Pfarrer Jürgen Widera Ende 2019 (eine volle Pfarrstelle), nicht weiter zu finanzieren, bleibt es. Einem Tendenzbeschluss, zumindest das „laboratorium – Zentrum für Arbeit, Bildung und betriebliche Seelsorge“ mit verminderten Kosten weiter zu führen, konnte sich die Synode mehrheitlich nicht anschließen. Die Regionalstelle wird derzeit von fünf niederrheinischen Kirchenkreisen gemeinsam finanziert. „Wir haben einerseits Sparwillen, andererseits keine verzichtbaren Arbeitsfelder“, schilderte Assessor Pfarrer Robert Arndt das Dilemma.
Abschied
Während der Sommersynode 2020 werden einige Synodale verabschiedet. Ihre Amtszeit endet entweder durch Erreichen der Altersgrenze (75) oder aus persönlichen Gründen. Zwei verabschiedeten sich persönlich: Pfarrer Armin Rosen, er wechselt im Februar zum Berufskolleg nach Wesel und damit auch zur Synode des Nachbarkirchenkreises. Friedrich Graf zu Eulenburg und Hertefeld gibt seine kirchlichen Ämter zugunsten der Familie auf. Er war für den Kirchenkreis auch Delegierter zur Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Grußworte zur 220. Synode des Ev. Kirchenkreises Kleve
Die Synode freute sich über Grußworte am Freitagabend:
Reihe oben: Bürgermeisterin Dr. Britta Schulz, Dr. Stefan Drubel (Abteilung Erziehung und Bildung im Landeskirchenamt), Pfarrerin Dr. Barbara Schwahn, Superintendentin Kirchenkreis Krefeld-Viersen
Reihe unten: Pastor Alois van Doornick (Kath. Kirchengemeinde Heilig-Geist Kalkar), Priester Wilfried Kullmann (Neuapostolische Gemeinde Kalkar),
Hinrich Kley-Olsen (Kerken) hielt die Einführungsrede zum eingeladenen Hauptreferenten, den er vermittelt hatte.
Siehe dazu auch: www.mauerfall-berlin.de