Aktuelles
Bedenkliches:
Die Kirche ist vielen Menschen fremd geworden; Worte und Rituale sind nicht mehr vertraut. Gemeindegruppen machen oft einen abgeschotteten Eindruck und für die Teilnahme am Gemeindeleben gibt es unsichtbare Hürden.
Für viele ist „Kirche“ einfach überholt; sie wählen freie Redner für Trauungen, Beerdigungen und Feiern am Lebensbeginn. Da haben wir uns sicherlich viele Jahre zu unflexibel verhalten und den Wunsch nach Individualität mit der Kirchenordnung erschlagen.
„Ich bin mit Bibel, Kirche und Glauben nicht vertraut“, sagen viele, die ich bei Tauf- und Trauergesprächen treffe. Häufig erlebe ich dabei aber Überraschendes: Menschen, von denen ich es nicht erwartet hätte, zeigen sich tief verbunden mit dem christlichen Glauben, wählen bewusst oder unbewusst Bibelworte oder sinnverwandte Texte, um ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Kirchenferne Menschen erleben wiederum, dass wir Zeit haben und zuhören; sie fühlen sich durch Gesten, Worte und Rituale getröstet und wieder auf die Füße gestellt.
Der Evangelist Matthäus erzählt von so einem Menschen (Mt 8,5-13). Der Hauptmann von Kapernaum ist Befehlshaber einer römischen Hundertschaft in Israel. Er hat einen schwer erkrankten Diener und sorgt sich so sehr um ihn, dass er Jesus bittet, seinen Diener zu heilen. Er erwartet zwar viel von Jesus, aber nicht, dass dieser extra in sein Haus kommt: „Sprich nur ein Wort, und mein Diener wird gesund!“
Der Hauptmann erkennt in Jesus einen Menschen, der den Sinn des Daseins glaubwürdig lebt. Das ist ihm wichtig – wie vielen Menschen heute auch!
Sie wünschen sich von ihrer Kirche verständliche Worte zu Corona-Pandemie, Profitgier und Raubbau an der Natur und vor allem Klarheit im Umgang mit sexuellem Missbrauch.
Der Hauptmann erwartet keine theologische Strukturdebatte, sondern praktische Hilfe. Ich erkenne in dieser Erwartung viele Kirchenferne, die sich nicht vom Glauben abgewandt haben, sondern tiefe Sehnsucht spüren nach einem Gott, der Heil und Leben schenkt, dessen Geist Kraft und Mut verleiht, der ganz nah bei den Menschen ist.
Diesen Gott gilt es nahezubringen – in Worten, Gesten und Begegnungen.
Jesus jedenfalls hat volles Verständnis für das Anliegen des heidnischen Hauptmanns. „Geh“, sagt er zu ihm. „So wie du geglaubt hast, soll es geschehen!“
Diese Haltung wünsche ich uns auch!
Pfarrerin Karin Dembek
Evangelische Kirchengemeinde Kevelaer