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Wenn der Pfarrer vor einer Hochzeit nervös ist
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg heiratete in Straelen
Nun bin ich nur noch vier Monate als Pfarrer im Amt tätig. Da wird fast jedes Ereignis in der Gemeinde zu einem „Zum letzten Mal“. Ein „besonderes Mal“ war für mich die Trauung von Martina Voss-Tecklenburg und Hermann Tecklenburg im Juni 2023.
Ein paar Wochen vorher rief sie mich an, die Martina Voss-Tecklenburg, die Bundestrainerin der deutschen Frauen-Fußball-Nationalmannschaft. Sie wohnt in Straelen und ist Gemeindemitglied unserer Gemeinde. Beide Tecklenburgs kommen gerne an Heiligabend in die Christmette um 22.00 in die Johanneskirche. Nun wolle sich Martina Voss-Tecklenburg 14 Jahre nach der standesamtlichen Trauung mit Hermann Tecklenburg kirchlich trauen lassen. Also musste ich `ran. Aber wo und wie?
Im Telefonat und den folgenden Begegnungen bat Frau Voss-Tecklenburg mich gleich um absolute Verschwiegenheit. Sie wolle im Juni mit extra geladenen Gästen, etwa 350 Personen, den zusammen 130. Geburtstag beider Tecklenburgs in der großen Zelthalle an der Blauen Lagune feiern. Sie sei nun 55 Jahre alt und ihr Mann 75. Von dieser besonderen Geburtstagsfeier wüssten alle schon.
Was aber keiner vorher wüsste, wäre ihre Idee, während dieser Geburtstagsfeier 14 Jahre nach der standesamtlichen Trauung in der Paesmühle nun mit meiner Hilfe das Eheversprechen zu wiederholen und sich kirchlich trauen zu lassen. Und dann war es so weit. Meine Frau und ich waren auch eingeladen. Um 18.00 Uhr trafen alle Gäste dieser geschlossenen Veranstaltung an der Blauen Lagune ein.
Nach Begrüßung, Liedbeiträgen und Grußworten wurde vorzüglich gegessen. Nur einer konnte nicht essen: Der Pfarrer. Vor Aufregung. Sollte doch die Trauzeremonie erst um 21.00 Uhr stattfinden. Meine vorausgehende Sorge, dass dann alle Gäste zu sehr gesättigt und getränkt seien, um noch aufmerksam sein zu können, wurde von der zu Trauenden mutig zurückgewiesen. Um 20.45 Uhr kam sie zu unserem Acht-Personen-Tisch und erinnerte mich deutlich an das, was gleich zu tun sei.
Mein gutes Gespräch mit meiner Tischnachbarin zur Linken, Inka Grings, der deutschen Nationaltrainerin der Schweizer Fußball-Frauen, über ihre fünf Treffer bei der ZDF-Torwand (ich war noch mit Günter Netzer groß geworden, der damals auch fünf versenkt hat), musste ich nun beenden. In der Garderobenecke zog ich mir dann den Talar an. Und als ich so bekleidet auf dem Weg zur Bühne plötzlich mitten im Saal stand, schauten alle Gesättigten und Getränkten sehr ungläubig zu mir herüber.
Die einen dachten, das wäre jetzt eine Einlage für die Feier. Einer fragte mich sogar, ob ich ein Schauspieler sei. Dann kam ich auf die Bühne und beide Tecklenburgs mit mir. Und ich stellte mich als Pfarrer vor und erklärte den Gästen, worum es jetzt gehe. Da schon setzte etwas ein, womit ich nie gerechnet hatte. Alle wurden still. So still, dass sie fast meinen leeren Magen hätten knurren hören können. Alle ließen ihre Teller und Gläser stehen und waren völlig überrascht. 350 Personen sind ja selten bei meinen Trauungen anwesend. Aber hier waren sie es ganz konzentriert.
Nun griff ich zur Gitarre und sang den Udo-Jürgens-Song „Liebe lebt“ mit dem Text von Wolfgang Hofer. Er beschreibt darin, dass man ja gar nicht sagen kann, was Liebe eigentlich sei. Aber sie lebe in dem Lächeln des anderen, „in deinen Händen, die mich berühr`n“. Da ich bei Udo-Jürgens-Liedern öfter etwas textlich hinzudichte, sagte ich auch da: „Wo Gott vorkommt, stammt es von mir.“
„Doch weil Gott hier ist, ganz nah bei uns ist, ist das Geheimnis so klar…Doch wenn wir still sind, ganz nah bei Gott sind, ist das Geheimnis so klar…Dann muss man Liebe nicht mehr erklären, dann ist sie ganz einfach da.“ Ich war überrascht, dass viele – nach einem ersten Moment stiller Aufmerksamkeit - diesen Song mitsangen. Ich wusste gar nicht, dass 350 Menschen jubeln und klatschen können wie 50.000 im Stadion.
Und dann kam es zur Trauhandlung – mit drei Bibelworten als Trauspruch:
„Die Liebe hört niemals auf “ (1. Korinther 13,8a).
„Gott ist die Liebe“ (1. Johannes 4,16b).
„Lasst also alle eure Dinge in der Liebe geschehen“ (1. Korinther 16,14).
Und nachdem Hermann Tecklenburg beim Eheversprechen „Ja, mit Gottes Hilfe“ gesagt hatte, jubelte der ganze Saal. Ebenso, nachdem Martina Voss-Tecklenburg „Ja, mit Gottes Hilfe“ gesagt hatte.
Talar, Gitarrenlied und Trausegen waren nicht nur mein Vorhaben, sondern im Vorhinein der ausdrückliche Wunsch des Brautpaares. So auch ein abschließendes Gebet. Ob da die jubelnde Menge mitbeten würde? Ja, sie tat es, mucksmäuschenstill. Und dann folgten im weiteren Verlauf des Abends einige Reaktionen gestandener anwesender Berühmtheiten, die vielleicht nicht mehr alle zu einer der Kirchen gehören – im Sinne von: „Ja, wenn Kirche so ist, dann hat sie wieder Zukunft. Dann will ich wieder hingehen.“ Wollen wir mal sehen…
Besonders gerührt hat mich die ganze anwesende Familie von Martina Voss-Tecklenburg. Keiner wusste etwas vorher. Sie waren alle bewegt. Vor allem ihre Eltern mit über 80 Jahren waren aus dem Häuschen. Die Mutter konnte sofort wieder reden. Von ihr hat sie es wohl, unsere Bundestrainerin der Frauen. Aber der Vater im Hintergrund konnte nicht sofort reden. Seine beiden Augen zeigten große Feuchtigkeit. Auch der anwesende Kabarettist Piet Klocke, der mir vorher noch sehr zögerlich begegnete, strahlte über sein ganzes großes Gesicht. Und viele andere auch.
So eine Trauung hatte ich in meiner Dienstzeit als Pfarrer noch nicht erlebt. Ja, es bewegt mich noch heute – vier Monate vor dem Ende. Dass dann in allen möglichen Zeitungen davon berichtet wurde, bis hin zur BUNTEN und zur GALA und zu RTL/ntv, steigt mir nicht zu Kopfe. Ich habe meinen Dienst als Pfarrer getan und vielen Menschen etwas von Gott singen und sagen dürfen.
Das ist`s!
Christian Werner