Aktuelles
Treffen der ökumenischen Freundesgruppe Goch-Veghel
Text: Hans Georg Steiffert
Auf dem Programm des diesjährigen Treffens der ökumenischen Freundesgruppe Veghel-Goch am 25. Januar 2025 stand der Besuch bei zwei evangelischen Gemeinden, die aufgrund ihrer konzeptionellen Orientierung und ihrer historischen Entwicklung atypisch für den kirchlichen Raum am unteren Niederrhein sind, gleichwohl eine jeweils besondere Ausstrahlung haben. Es handelte sich hierbei um die Freie evangelische Gemeinde (FeG) in Uedem sowie die evangelische Gemeinde Pfalzdorf in Nierswalde. Teilgenommen haben gut 20 Delegierte. Nicht zuletzt der Umstand, dass man wieder auf weitgehend vertraute Gesichter traf und dass die Gastgeber fürsorglich für das leibliche Wohl sorgten, trug zu einer angenehmen Atmosphäre bei und einem über das eigentliche Programm hinausgehenden angeregten Austausch.
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Die Vorstellung der FeG Uedem stand am Anfang des Programms. Den Besuchern wurde eine Gemeinde vorgestellt, die sich aufgrund ihrer Geschichte (dargestellt vom jetzt pensionierten Pastor Oerter) sowie ihres Gemeindekonzepts (dargestellt von Pastor Krause) fundamental von den uns bekannten christlichen Gemeinden unterscheidet. Die FeG sind evangelische Kirchen außerhalb der evangelischen Landeskirchen. Ihnen liegt das Bedürfnis sowohl an einer authentischen, glaubensorientierten Gemeinschaft zugrunde sowie einem persönlichen Glauben unabhängig von traditionell vorgegebenen Strukturen und Festlegungen. Ihre Anfänge in Uedem wurden darüber hinaus nicht zuletzt von der wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Entwicklung dieses Raumes unterstützt. Finanziell ist die Gemeinde autark: Sie finanziert sich ausschließlich von mit den einzelnen Gemeindemitgliedern vereinbarten Zuwendungen, wobei das biblische Zehnte eine Leitlinie ist. Die finanzielle Autarkie wird ergänzt durch eine Fülle unterschiedlicher ehrenamtlicher Tätigkeiten und Projekte, in die offensichtlich ein Großteil der Gemeindemitglieder eingebunden ist. Sichtbarer Ausdruck des Gemeindekonzepte ist das kurz vor der Fertigstellung befindliche neue Gemeindehaus mit der programmatischen Benennung "Aufbruch 21 +" Ein Ort für die Begegnung mit Gott – für alle. Die Finanzierung erfolgte auch hier ausschließlich durch Eigenmittel und Eigenarbeit. Die architektonischen Grenzen zwischen innen und außen, zwischen Gottesdienstlichem und Gesellig - Profanem sind fließend. Gastfreundschaft wird großgeschrieben, zwischen Eingang und Gottesdienstraum befindet sich eine Theke. Man plante für die Zukunft, in der Dimensionierung des Gebäudes (geplant ist es für 300-400 Personen, in etwa die doppelte derzeitige Gemeindegröße – wir sind für die da, die noch nicht da sind, heißt es) ebenso wie in seiner technischen Ausstattung (modernes High-Tech etwa, statt einer Orgel).
Die Vorstellung des Gemeindekonzeptes und des Neubaus, den wir eingehend begutachten konnten, beeindruckten die Besucher. Dieses nicht zuletzt wegen des hier ausstrahlenden wohltuenden Optimismus.
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Am Nachmittag stand der Besuch in Nierswalde auf dem Programm. Der Pfarrer der jetzt fusionierten Gemeinden Nierswalde und Pfalzdorf, Pastor Jens Kölsch-Ricken, begrüßte uns in der evangelischen Kirche von Nierswalde und erläuterte sowohl den historischen Kontext seiner Gemeinde, als auch deren gegenwärtige seelsorgerische Situation im Kontext des Evangelischen Kirchenkreises Kleve. Die beiden ursprünglich selbstständigen Gemeinden sind das Ergebnis einzigartiger historischer Entwicklungen mit auch heute erkennbaren Auswirkungen. Die Gemeinde in Pfalzdarf wurde im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts von Auswanderern aus der Pfalz gegründet, die ihre Absicht, nach Nordamerika auszuwandern, nicht realisieren konnten. Holländische Grenzposten verwehrten ihnen die Durchreise durch Holland was dazu führte, dass sie mit preußischer Unterstützung (das weitgehend katholische Herzogtum Kleve kam Mitte des 17. Jahrhundert aufgrund einer Erbfolgeregelung in den Besitz des evangelischen Brandenburgs-Preußens) am linken Niederrhein niederlassen konnten. Neben der Urbarmachung von unwirtlichem Gelände gehörte die Gründung von evangelischen Gemeinden – zunächst in den lutherischen und reformierten Orientierungen - in einem konfessionell anders geprägten Umfeld zu ihren ersten Aktivitäten. Gegründet wurden die Dörfer Louisendorf, Neulouisendorf und Pfalzdorf. Bis in die Gegenwart hinein weisen sie eine Reihe von Merkmalen (Architektur, sprachliche Eigenarten, Traditionspflege) auf die Pfälzer Gründungen hin. Die früher markanten sozialen Distanzierungen gegenüber dem nicht-pfälzer Kontext gehören jedoch der Vergangenheit an.
Nierswalde, in dessen an lutheranischer Kirchenarchitektur orientierter Pfarrkirche unser Treffen stattfand, verdankt seine Gründungen ebenfalls einer „Einwanderung“, wenngleich sich diese auch erst in den Wiederaufbau Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog. Aus dem Osten vertriebene Flüchtlinge bekamen im Rahmen eines großangelegten staatlichen Siedlungsförderungsprogramms die Chance, sich erneut in im agrarischen Bereich zu engagieren. Dazu wurden größere Flächen des von den Kampfhandlungen zu Kriegsende in Mitleidenschaft gezogenen Reichswaldes gerodet und einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Es entsprach damaligem Denken, bei der Neubesiedlung auch die Konfessionszugehörigkeit der Siedler zu berücksichtigen: Evangelische Siedler wurden in Nierswalde, katholische hingegen im etwa 10 km entfernten Reichswalde angesiedelt. Diese konfessionelle Gewichtung hat sich zahlenmäßig bis heute fortgesetzt, trotz einer faktischen Bedeutungslosigkeit der Religionszugehörigkeit im öffentlichen Raum. In Nierswalde gehören der evangelischen Gemeinde etwa 600 Mitglieder an, der Anteil der Katholiken dürfte verschwindend gering sein. Die zusammen mit ihr betreute und etwa 6 km entfernte Gemeinde Pfalzdorf umfasst etwa 1000 Mitglieder, bei einer im ehemals größten Dorf in NRW etwa zehnmal so großen Gesamteinwohnerzahl.
Die Darstellung von Pfarrer Kölsch-Ricken über die Situation seiner Gemeinde sowie Entwicklungen im Kirchenkreis Kleve bot einen guten Rahmen, um sich auch im privaten Gespräch über die Situation der christlichen Kirchen sowohl bei unseren niederländischen Besuchern als auch bei uns auszutauschen. Die Themenpalette reichte von den besonderen Möglichkeiten und Tücken von TV Gottesdiensten bis hin zu – gelegentlich befremdlichen Trends - in derzeitiger Bestattungskultur.
Ein herzlicher Dank galt am Schluss den Gastgebern, Organisatoren sowie den Referenten dieses Tages - und unsere Gäste begleiteten unsere guten Wünsche für eine sichere Heimfahrt.