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Superintendent Hans-Joachim Wefers zur Frage von Fotografien bei Kasualgottesdiensten

Superintendent Wefers ist auch Gemeindepfarrer in Xanten-Mörmter

Die Berichterstattung zur Frage von Fotos während Tauf- oder Traugottesdiensten, ausgehend von dem Fall in der Ev. Kirchengemeinde Straelen-Wachtendonk, habe ich als Superintendent des Ev. Kirchenkreises Kleve, aufmerksam verfolgt. Denn in den Fall war ich selbst eingebunden, da Familie Berti sich auch an mich gewandt hatte, um eine Änderung der Presbyteriumsentscheidung „von oben“ zu erwirken.

Vor einer resümierenden Stellungnahme zum Vorgang, der durch den Gang an die Öffentlichkeit nun alle evangelische Gemeinden der Region mitbetrifft, sei daher ein kleines Stückchen „Theologie einer Amtshandlung“ erlaubt, wie wir sie in der (evangelischen) Kirche verstehen. Denn ohne dies wird man weder den Beschluss der Kirchengemeinde noch die Aufregung auf der anderen Seite verstehen.

Eine Taufe oder eine Trauung ebenso wie auch die Konfirmation und eine Bestattung verstehen wir in der Kirche als sichtbaren und zeichenhaft-konkreten Ausdruck der Zuwendung Gottes (!) zu den Menschen - in dieser einmaligen Situation, in der sie gerade sind und in diesem konkreten Augen­blick, wo eben ein Kind getauft wird oder zwei Liebende sich das „JA“-Wort geben. Diese sichtbare und zeichenhafte Präsenz, quasi das Eintreten des eigentlich transzendenten Gottes in unsere unmittelbare Wirklichkeit ist übrigens auch der wesensmäßige Unterschied zu einer „freien“ Trauung, die nur das innerweltliche Geschehen in den Blick nimmt, weswegen dann dort auch andere Spielregeln gelten mögen.

Genau dieses „heilige“ Moment, die Zuwendung Gottes zu eben diesem/diesen Menschen jetzt und in diesem Augenblick – das macht diesen so unvergleichlich und so wertvoll, das beides daraus erwächst: Sowohl das Bedürfnis, die Intimität und „Heiligkeit“ dieses Augenblicks zu schützen vor zu viel „Störung“ als auch das Bedürfnis, gerade wegen seiner Intimität und „Heiligkeit“ ihn doch auf einem Foto festzuhalten. Damit nämlich, so die Vorstellung, kann er quasi weitergegeben werden an andere, die nicht dabei sein konnten, oder man kann sich selbst erinnern an dieses einmalige Geschehen und es so noch einmal lebendig werden lassen.

Eine Entscheidung und eine Bewertung des Umgehens mit Fotos bei kirchlichen Amts­handlungen bleibt deshalb schwierig und ist kaum eindeutig mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten: Das erste Bedürfnis nach Schutz von Intimität und Heiligkeit des Augenblicks gibt Presbyterien und Pfarrer* innen Recht, die das Fotografieren bei diesen Handlungen nicht gerne sehen und es daher unter­sagen möchten. Das andere Bedürfnis nach Aktualisierung und Weitergabe gerade des „heiligen“ Augenblicks gibt aber auch denen ein Stück Recht, die nun gerne Fotos machen wollen. Die beiden „pro“ und „contra“ Kommentare von Eirik Sedlmair und Sebastian Latzel, die die RP im Gelderner Teil zusätzlich zur Berichterstattung veröffentlicht hat, spiegeln sehr präzise diese beiden möglichen Pole und die dazuge­hörigen Argumentationslinien.  

Wie immer, wenn nun quasi zwei „Rechtsgüter“ miteinander in Widerspruch stehen, wird man also nach Wegen suchen müssen, die beiden widerstreitenden Anliegen, die beide in der Sache selbst liegen, zu verbinden und ihnen wenigstens teilweise gerecht zu werden. Das hat auch die Kirchen­gemeinde Straelen-Wachtendonk getan, in dem sie das Nachstellen der Taufsituation angeboten hat. Man mag dies als ungeeignetes oder unzureichendes Angebot verstehen, aber es ist immerhin ein auch in anderen Gemeinden übliches Verfahren und wird in den meisten Fällen problemlos akzeptiert, auch in meiner eigenen Gemeinde etwa. Man kann aber auch weitergehen und den Wünschen nach Fotoaufnahmen im authentischen Vollzug (in gewissen Grenzen) entgegenkommen, was auch manche Gemeinden praktizieren, man kann also eher dem einen Aspekt Raum geben oder dem anderen. Nur eines kann man nicht, nämlich grundsätzlich das eine bejahen ohne auch das Recht des Anderen zu sehen – und umgekehrt. Es gibt wegen der Heiligkeit und Intimität des besonderen spirituellen Augenblickes, der beides bewirkt, das Schutzbedürfnis und das Festhaltebedürfnis, kein eindeutiges „Richtig“ oder „Falsch“, sondern immer nur Näherungen an das Wirklich Gute.

Daher resümiere ich:

Ich wünsche mir durchaus, dass Kirchenmitglieder, die eine Handlung der Kirche wünschen, ein Mindestmaß von Verständnis aufbringen für die beiden Anliegen, die es zu berücksichtigen gilt und nicht ihr eigenes Bedürfnis völlig verabsolutieren und kompromisslos durchzusetzen versuchen. Hätte Familie Berti nicht kurzerhand das Telefonat mit mir beendet, nachdem ich ihr nicht sofort uneingeschränkt Recht gegeben hatte, hätte man vermutlich noch Lösungen für die noch bevor­stehende Trauung finden können, so aber war das leider nicht mehr möglich.

Ich wünsche mir aber auch von allen Kirchengemeinden und Pfarrer*innen im Kirchenkreis, dass sie ihrerseits solche Anfragen sehr sorgfältig reflektieren und berücksichtigen, dass auch auf Seiten der Fragenden ein tiefsitzendes und in der Natur der Sache liegendes Bedürfnis besteht, das nicht einfach ignoriert werden kann. Es muss meiner Einsicht nach seelsorglich betrachtet und angemessen aufgenommen werden. Was nun angemessen ist oder auch nicht, hängt immer ein ganzes Stück mit dem konkreten Einzelfall zusammen und muss daher im vorbereitenden Gespräch erörtert werden, was nicht gleichbedeutend ist mit kompletter Übernahme aller Wünsche. Dies ist im vorliegenden Fall durch ein Versehen unterblieben, das ist misslich – aber auch menschlich. Es soll nicht, kann aber jeder und jedem passieren, die Pfarrerin hat sich dafür entschuldigt – mehr kann sie im Nachgang nicht tun.

Nach evangelischem Verständnis treffen und verantworten die jeweiligen Gemeindeleitungen (Presbyterien) Entscheidungen in solchen Fragen selbstständig ohne bindende Vorgaben. Davon soll auch nichts weggenommen werden. Die Gemeindeleitungen sollen in ihren Entscheidungen aber auch berücksichtigen, dass die Auswirkungen ihrer Entscheidungen nicht nur sie selbst, sondern die ganze Kirche betreffen. Daher sollen sie diese nicht nur als isolierte Einzelentscheidung für ihre Gemeinde betrachten, sondern den gesamtkirchlichen Kontext mitbedenken. Sie führen ja die Amtshandlungen nicht als einzelnes Gemeindeangebot aus, das es hier gibt und dort nicht. Nein, sie führen sie im Auftrag und Namen der Gesamtkirche durch, deren erkennbare Haltung und Mithaftung darum auch Berück­sichtigung finden soll. Tendenziell hat hier in den letzten Jahren eine spürbare Öffnung zu den Bedürfnissen der Mitglieder hin stattgefunden. Die ein oder andere Entscheidung, die vielleicht vor zehn oder noch mehr Jahren getroffen wurde, könnte durchaus im Licht dieser Entwicklungen noch einmal angeschaut und ggf. auch angepasst werden. Ich werde die Gemeinden des Kirchenkreises jedenfalls um eine Neubewertung ihrer u.U. älteren Entscheidungen bitten.

In der Praxis mache ich selbst auch Unterschiede zwischen einer Taufe im sonntäglichen Gemeinde­gottesdienst und einer Trauung in einem reinen Traugottesdienst. Im ersten Fall müssen auch die Bedürfnisse einer weiteren Gruppe berücksichtigt werden, nämlich die der Gottesdienst­besucher* innen, die nicht wegen der Taufe, sondern wegen der normalen Gottesdienstfeier gekommen sind. Hier kann man durchaus um Zurückhaltung bei Fotos bitten – selbstverständlich in guter und rechtzeitiger Kommunikation vorher.

Bei einer Trauung liegt der Fall etwas anders: Hier ist in aller Regel nur die Traugesellschaft anwesend und alle haben ihrerseits nicht nur Verständnis für die Fotos, sondern freuen sich selbst darüber und warten schon darauf. Hier sehe ich dem Wunsch nach Fotos auch im Vollzug gelassener entgegen. Die Umstände im Einzelnen kann man absprechen und Verabredungen, die alle zufrieden stellen, lassen sich fast immer finden.

Wir sehen in der Kirche jedenfalls beides: Der heilige Augenblick der zeichenhaften Begegnung Gottes mit dem Menschen braucht seinen besonderen Raum, sonst kann er sich nicht ereignen.  Aber gerade dieses Ereignis bringt das Bedürfnis mit sich, ihn festzuhalten. Und dieses soll im seelsorg­lichen Sinne ebenso aufgenommen und angemessen umgesetzt werden.

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