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Kirchliche Gebäude auf dem Prüfstand

Bild: Michael Stahlschmidt, Christoph Haarhoff, Robert Arndt, Stefan Welberts, Astrid-Lichomski-Schirmer, Jochen Kleemann, Wilfried Mölders

Kirchenkreis. Bis 2035 will die rheinische Kirche treibhausgasneutral sein. Ein Riesenprojekt, das die Kirchenkreise zwischen Kleve und dem Saarland nun beschäftigt. Bevor in den Presbyterien Entscheidungen gefällt werden, inventarisierte eine Gruppe aus Fachleuten fast ein Jahr lang 70 kirchliche Gebäude in den 20 Kirchengemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Kleve.

Mit den Ergebnissen der Begehungen können für die Kirchengemeinden Gebäude-Steckbriefe geschrieben werden. „Sie geben über zweierlei Auskunft“, sagt Kirchenkreis-Architektin Astrid Lichomski-Schirmer. Die bauliche Substanz (Dach und Fach) und die Energiebilanz (short report) der Gebäude. Ebenso hängt ein Preiskärtchen daran: Was kostet eine Renovierung/Substanzerhaltung und was kostet das Ziel Treibhausgasneutralität? Denn die alles entscheidende Frage ist, was braucht eine Kirchengemeinde für die mittelfristige Zukunft an Gebäuden und was kann sie bezahlen? Im Umkehrschluss – alle Gebäude, die nicht gebraucht werden oder zu teuer sind, um sie energetisch instand zu setzen, müssen die Kirchengemeinden aufgeben. Oder sie werden einer Nutzung mit oder durch andere zugeführt. Heißt, Gemeinden kooperieren, nutzen Kirchen/Gemeinderäume mit anderen, ausgenommen sind komplett an Dritte vermiete Immobilien.

Für die fachliche Kompetenz der Begehungen sorgte ein siebenköpfiges Team aus Architekten (Ader-Kleemann, Kalkar), Energieberatern (Die Kehrprofis, Kleve), Assessor Pfarrer Robert Arndt und Kirchenkreis-Architektin Astrid Lichomski-Schirmer. „Wir sind in jeder Gemeinde sehr freundlich aufgenommen worden“, sagt die Architektin rückblickend. Die Kirchengemeinden sind froh, aufgrund professioneller Gebäudepläne nun entscheiden zu können. Zeit dafür haben sie bis 2027. „Die Begehung hat uns noch mal gezeigt, was wir im Kirchenkreis an baulichen Schätzen haben“, findet Architektin Lichomski-Schirmer, und nennt die Zeltkirche in Kevelaer, die historische Kirche Neulouisendorf und die Nierswalder Kirche – eine typische Kirche der 1950er Jahre.

Neu denken – mehr erreichen

So ist es ja durchaus ein oder zwei Gedanken wert, ob es in einer Kommune oder einem „Quartier“ je ein evangelisches und katholisches Gemeindezentrum, ein Bürgerhaus sowie weitere Säle, etwa in Gaststätten, geben muss. Denn jedes Gebäude muss betrieben, instandgehalten, geheizt werden. Antworten auf diese Frage sind nicht einfach. Sie berühren die Individualität und Flexibilität der Beteiligten einerseits, Kompromissbereitschaft, Gemeinschaftsverantwortung und Zukunftsfähigkeit andererseits.

Die Arbeit des Teams ist mit Ende der Begehungen noch nicht vorbei, bis November findet in jeder der vier Regionen des Kirchenkreises ein Infoabend statt. Die Steckbriefe und ihre Aussagen werden dort nochmal erklärt und Presbyterien können weitere Fragen stellen.

Treibhausgasneutralität

Treibhausgasneutralität bezeichnet ein Gleichgewicht zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen (vor allem CO2) und deren Abbau. Der Begriff Klimaneutralität ist weitergehend und bezeichnet einen Zustand, in dem menschliche Aktivitäten keinerlei Effekt auf das Klima haben.

Klima ist immer – ein Kommentar von Stefan Schmelting

Dem Klima sind unsere Aktivitäten vollkommen egal. Es reagiert einfach auf die Summe unserer Emissionen. Dass die rheinische Kirche sich am Erhalt der Schöpfung beteiligt, Zukunft ermöglicht und gestalten will, ist gut. Auch wenn wir uns in der Kirche dafür zunächst die Köpfe heiß werden reden müssen, wie wir was wann dafür tun wollen – oder nicht wollen.

Klima-Maßnahmen haben Wirkungen – auch jenseits von Klimafragen. Man stelle sich vor, es gäbe im Kirchenkreis nur eine Kirche und ein Gemeindehaus daneben. Das wäre für das Klima doch super, statt vieler Kirchplätze - Wald und Wiese weit und breit. Es müssten jedoch sehr viele Leute in ihr Auto steigen und sehr viele Kilometer fahren, um einen Gottesdienst oder eine Aktivität an dem einen Gemeindehaus zu besuchen. Oder die Menschen würden der Kirche den Rücken kehren, weil sie sich selbst verzichtbar verkleinert hat?

Die Treibhausgasneutralität der Kirche ist nur ein Baustein in der weltweiten Klimaentwicklung. Kleine individuelle Entscheidungen sind vielleicht einfacher und schneller zu treffen. Also: Pflücke ich einen Apfel vom Baum oder esse ich eine Banane aus Südamerika, die tausende Kilometer hinter sich bringt, bevor sie im Supermarkt liegt? Im Kleinen stellt sich die gleiche Frage: Stelle ich meinen individuellen Wunsch, eine Banane zu schmecken, über Klimaerwärmung und Verschmutzung von Land, Wasser und Luft? Ich muss mich halt entscheiden was ich langfristig will und kann – wie die Kirche auch.

Wir als Industrieländer haben gegenüber Ländern in Afrika und Asien in vielerlei Hinsicht die Nase vorn. Leider auch bei Emissionen und Ressourcenverbrauch. Beim Klimaschutz dürfen wir noch einen Zahn zulegen, auch im eigenen Interesse.

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