Aktuelles
Frauenmahl im Priesterhaus: Wie wollen wir leben?
Fragen zur Welt von morgen

Text und Fotos: Geertje Wallasch
Über 70 Frauen waren der Einladung gefolgt, die der ‚Fachausschuss für Frauenfragen‘ des Evangelischen Kirchenkreises ausgesprochen hatte. Die Statements der sieben Referentinnen, die zu dem Frauenmahl eingeladen waren, zu der Frage „Wie wollen wir leben“ wurden an den Tischen im Speisesaal des Priesterhauses in Kevelaer während des Abends am 21. März 2025 rege weiter besprochen.
Ein trotziges ,Dennoch‘
Mit einem alkoholfreien Fruchtsecco wurden die Frauen begrüßt. Die Platzwahl war freigestellt. Pünktlich um 17.30 Uhr begrüßte die Vorsitzende des Fachausschusses (FAFF), Dr. Rose Wecker, die Frauen im Saal zum 5. Frauenmahl im Evangelischen Kirchenkreis Kleve. Zwischendurch musste dieses Format aus bekannten Gründen ausfallen. Frauen hätten etwas zu sagen und nicht nur das, Frauen bewegten etwas, führte Wecker weiter aus. Ihre Statements stünden für ein trotziges ,Dennoch‘. Trotz Verletzungen und Gefährdungen sei das Leben lebenswert. Das Ritual, dass die Frauen des Fachausschusses die Referentinnen vorstellten, wollten sie auch an diesem Abend so beihalten. Zwischen den Statements wurden die Speisen aufgetragen: Brot mit Dip, Salatteller der Saison über Rindfleischsuppe oder Tomatensuppe zu Quiche, Variationen zur Mascarponecreme mit Kirschgrütze.
KI im Alltag
Lucie Weinert stellte Miriam Drazek, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule Rhein-Waal in Kleve, vor. Die Wissenschaftlerin nahm in ihrer Rede die gesellschaftliche Transformation und die Künstliche Intelligenz (KI) gemessen am Alltag und im beruflichen Kontext in den Blick. Es gehe nicht nur darum, große Lösungen zu finden. Gemeinsame Ansätze führten meistens schon weiter. Drazek kam gerade von einer Konferenz, die den wirtschaftlichen Rahmen in den Blick genommen hatte. Ein aussagekräftiges Zitat hatte sie von dort mitgebracht: Die Dinge, die wir tun, kosten etwas, die wir nicht tun, kosten auch etwas.

Liebe, Respekt und Verantwortung
Die Autorin und Migrationsexpertin Souad Lamroubal hatte eine dreistündige Fahrt auf sich genommen, um in Kevelaer zu sein. Sie wurde von Cornelia Bohn vorgestellt. Die Autorin mit marokkanischen Wurzeln las aus ihrem Buch ‚Yallah, Deutschland, wir müssen reden‘, das eindrücklich die verschiedenen Ansichten zur Migration verdeutlichte. Mit den Zeilen „Ich verrate dir, woher ich komme und vor allem, wo ich hin will“, beginnt ein tiefgründiges und dabei auch humorvolles Gespräch mit dem Deutschland, in dem sie als Gastarbeiterkind aufwuchs und als problematisch galt. In dem Dialog geht es um Herkunft und Freiheit und Heimat und um die Frage, wer wir Deutschen und wann wir Deutsche sind. Das formulieren sei nicht schwer, das Tun sei schwerer, führte die Autorin weiter aus. Doch wenn Liebe und Respekt und Verantwortung geteilt würden, sei das schon ganz viel, ergänzte Lamroubal.
Antisemitismus an der Hochschule
Tief beeindruckte die nächste Gastrednerin Sharon Spievak die Zuhörerinnen. Die Jüdin sprach von ihren Ängsten, die durch die aktuellen Entwicklungen manchmal sehr schwer auszuhalten seien. Sie war die ehemalige Vositzende der Studierendenvertretung (AStA) Hochschule Rhein-Waal, Kleve. Das konnte sie trotz Menschen, die auf ihrer Seite waren, nicht weiter sein. Die antisemitischen Anfeindungen wurden zu groß, besonders nach den Hamas-Massakern vom 7. Oktober 2023. In ihrer Rede griff sie Details auf, die sie sehr bewegten. Sie studiert Internationale Beziehungen, nachdem sie vorher Rechtswissenschaften studierte. Hoffnungsvoll wollte sie enden, was nicht leicht sei gerade, doch ergänzte sie: „Ich würde hier nicht stehen, wenn ich nicht den Funken hätte“. Sie wolle jüdisches Leben in Deutschland sichtbar machen.
John und Jennifer in Amerika
Kristin Lehmhöfer, von Elisabeth Schell vorgestellt, ist Professorin für Kognitive Psychologie an der Radboud Universität Nijmegen. Sie berichtete u. a. von Studien, die ersichtlich gemacht hatten, dass Bewerbungen schon durch die Angabe der Namen beeinflusst würden. In Amerika würde eher ein John als eine Jennifer angestellt werden.
Gleichstellung und Gleichberechtigung
Friederike Frücht hatte als erstes Mädchen ihre Schulzeit am Collegium Augustinianum Gaesdonck in Goch weitergeführt, verriet sie in ihrer Rede. Seit 2022 ist sie Leiterin der Abteilung Kommunikation im Bundesverband der „kfd“ und Chefredakteurin von Junia, einem Magazin, das sich für Frauen, die sich in Kirche, Politik, Gesellschaft und in der kfd engagieren und für eine lebendige Kirche und für die Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen einsetzt. Sie erklärte, dass Solidarität nicht nur ein Schlagwort sein dürfe. Auch wenn ein Beitrag noch so klein sei, mache es einen Unterschied, nicht für die Welt, jedoch für eine Person. Es sei faszinierend, dass hier so viele Frauen sind.
„DemokraTisch“
Bettina Trenckmann und Jacqueline Wirtz vom „DemokraTisch“, AWO-Kreisverband Kleve, machten Mut, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Es gebe soviel Potenzial, man müsse es nur nutzen. Das erführen sie in Geprächen immer wieder, wenn sie sich bei den monatlichen offenen Treffen im Kolpinghaus Goch zu verschiedenen Themen austauschten.
Guter Service und freundliches Personal
Zwischen den Speisegängen sorgte die „Pop-Kantorin“ Anne Hartmann von der Evangelischen Kirchengemeinde Goch für ein gemütliches Ambiente mit ihrer Musik am Klavier und ihrem Gesang. Ihre Texte griffen die Themen des Abends auf. An einem Tisch war zu hören: „Ich bin noch nie hier im Priesterhaus gewesen“, das sei doch besonders hier. Und besonders waren ebenfalls der gute Service und das freundliche Personal. Das wurde mehrfach von den Gästen betont. „Kommen Sie nächstes Jahr wieder?“, fragten die Menschen aus der Küche. Mit einem gemeinsamen Segenslied und noch weiteren Gesprächen klang der gut vierstündige Abend aus.