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Die ersten Gottesdienste und die Handbremse

Für die Kirchengemeinde Goch und ihren Blog in besonderen Zeiten: www.evangelischekirchegoch.de habe ich einen Beitrag geschrieben, den ich hier auch veröffentliche.

Die Ev. Kirchengemeinde Goch war am Sonntagmorgen um 11 Uhr die erste, Pfalzdorf um 18 Uhr die zweite Gemeinde im Kirchenkreis, die zu einem Regelgottesdienst eingeladen hatte. Nach zwei Monaten „ohne“ ein Stück Normalität. Mir tat es gut, vertraute Menschen zu sehen, mich mit ihnen auf Abstand zu unterhalten. Viele bleiben noch vorsichtig und darum zu Hause. Einige besuchen in Goch stattdessen lieber die offene Kirche alleine. Weder in Goch noch in Pfalzdorf wurde die laut Schutzkonzept maximal zulässige Besucherzahl im Gottesdienst erreicht. Das war vielleicht auch nicht zu erwarten und gut so. Wir üben die neue Normalität erst ein. Dazu gehörte auch, dass mein Name und Telefonnummer am Eingang notiert wurden, dass ich mich auf einen markierten Platz gesetzt habe und dass die Banknachbarin mein begrüßendes Lächeln nur an den Augen erkennen konnte.

Die Sache mit der Maske. Im Gottesdienst wie auch anderswo hindert mich meine feucht-warme Atemluft daran, das Virus zu vergessen. Was vielleicht auch gut ist. Sie erinnert mich daran, dass jetzt nicht alles ist wie gewohnt. Deutlicher als am Sonntag Kantate (Singt!) kann es nicht auffallen, dass das Gewohnte fehlt. Singen. Ohne angezogene Handbremse. In Goch begleitete Lukas Kowal das Orgelspiel mit toller Stimme, in Pfalzdorf Silke Grabbe. Das Eingangslied erklingt: „Du meine Seele singe“. Spontan habe ich einen Kloß im Hals. Meine Seele will nicht mit Mundschutz singen. Zum Heulen ist das. Gerne würde ich meine Trompete in die Hand nehmen und die Orgel begleiten. Auch mein Posaunenchor, dessen Leiter ich bin, schweigt. Seit 8 Wochen. Keine Proben, keine Musik, keine Begegnung. Und das obwohl der am Sonntag gelesene Psalm 98 dazu aufruft, Gott zu loben: Mit Harfen und Saitenspiel, mit Trompeten und Posaunen. Von dem derzeit erlaubten Mitsummen oder Brummen ist da nicht die Rede! Ich bin darum lieber still geblieben.

Die ersten Gottesdienste sind immerhin ein Hoffnungsschimmer. Dass es immer weiter in eine Normalität geht, in der gemischte Gruppen sich wieder treffen dürfen. Eine entsprechende Studie der Bamberger Symphoniker gibt Aufwind. Sie hat untersucht, dass aus Trompeten-Trichtern zwar weit tragender Schall, jedoch kein meterlanger Luftstrom komme. Sprich, ein größerer Abstand als die allgegenwärtigen zwei Meter braucht es nicht.

Das Tolle an der Situation ist, dass die Gesellschaft merkt, was sie neben Essen, Arbeit und Toilettenpapier auch braucht. Den Nächsten. Wer das ist? Nicht nur die Familie und der enge Freundeskreis. Der Kontakt zu ihnen ist dank moderner Kommunikationsmittel auch nie abgebrochen. Der und die Nächsten finden sich in der Kirche, im Restaurant, in der Sportgruppe, in Chören, auf der Arbeit, im Kino und in den sich wieder belebenden Fußgängerzonen. Gott sei Dank.

Bleiben Sie gesund.

Ihr Stefan Schmelting

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